Plastische Chirurgie in der 3. Welt, Teil 1/2
Mit dem Thema Schönheitschirurgie haben wir uns schon hin und wieder im FRANKY befasst. Damit werden wir auch mehr oder weniger sinnvoll in den Medien konfrontiert. Dabei staunen wir, wenn sich die Promi-Lady zum x-ten Male liften oder den Busen vergrößern ließ. Aber auch die ernsthafte Seite wird beleuchtet, dann nämlich, wenn Menschen nach Unfällen perfekt wie4der hergestellt werden. Dann staunen wir erst recht und ziehen den Hut vor dem Schönheitschirurgen. Dass aber ein solcher Schönheitschirurg auch wichtige Arbeit in der sog. Dritten Welt leistet, darüber wissen und erfahren wir sehr wenig. Deshalb setzte ich mich mit Dr. Radu in Verbindung.
Dr. Radu, wir sehen den Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, den sog. Schönheitschirurgen als den Arzt, der Menschen zu einem besseren Aussehen verhilft. Auf der anderen Seite befassen Sie sich sehr intensiv mit wiederherstellenden Operationen und mit karitativen Einsätzen in der 3. Welt. Wie bringen Sie dies in Einklang?
Dr. Radu: Als Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie findet man sein Einsatzgebiet am ganzen Körper. Unsere Eingriffe erstrecken sich von Kopf bis Fuß, sowohl im ästhetischen als auch im rekonstruktiven Bereich. Sehen Sie es so: Wenn Sie eine Skala haben, dann würden sie den „Normalzustand“ in der Mitte bei Null ansiedeln. Im rekonstruktiven Bereich haben Sie meistens Menschen, die diesen Normalzustand durch Erkrankungen, Tumore oder Unfall verloren haben und dadurch funktionell, wie auch ästhetisch stark beeinträchtigt sind. Diesen Menschen verhilft die Plastische Chirurgie zu einer Rückkehr zur Normalität. Andere Menschen wiederum wünschen sich eine Optimierung ihres Erscheinungsbildes. Hier sprechen wir von ästhetischen Eingriffen. Somit ist eine sehr große Bandbreite in beide Richtungen gegeben. Wo allerdings dieser vermeintliche „Normalzustand“ angesiedelt ist, muss jeder Mensch für sich selber entscheiden. Unsere Aufgabe ist es, beratend zu begleiten und im Rahmen einer vernünftigen Erwartungshaltung die Wünsche zu erfüllen.
Könnten Sie uns Beispiele geben für beide Situationen?
Dr. Radu: Im rekonstruktiven Bereich befasst sich unsere Praxis z.B. mit der rekonstruktiven Chirurgie nach Brustkrebs. Um hier eine Versorgung auf hohem Niveau gewährleisten zu können, sind wir Kooperationspartner mehrerer Brustzentren, dies sind Institutionen an größeren Kliniken, welche sich interdisziplinär mir der Behandlung des Brustkrebses befassen. So sind wir Partner an Kliniken in Nürnberg, Fürth, Roth, Ansbach und Schweinfurt.
Das sind doch etliche Kliniken die Sie hier aufzählen.
Dr. Radu: Die rekonstruktive Mammachirurgie ist ein hoch spezialisierter Teilbereich der Plastischen Chirurgie. Nicht an jeder Klinik existiert eine Abteilung für Plastische Chirurgie, so dass wir aus diesem Grund Kooperationen mit den Brustzentren eingehen, um vor Ort mit den o.g. Kliniken diese Eingriffe anbieten zu können.
Sie hatten auch die rekonstruktive Chirurgie im Ausland, in Afrika, erwähnt?
Dr. Radu: Ja, gerade in diesen Ländern bestehen extrem große Defizite in der Versorgung von Kindern und Jugendlichen.
Um welche Krankheitsbilder handelt es sich hier?
Dr. Radu: In sehr vielen Ländern wird mit offenem Feuer gekocht. Deswegen sind Verbrennungsverletzungen und deren Folgen sehr weit verbreitet. In diesem Fall geht es hauptsächlich darum, Vernarbungen und dadurch entstehende Entstellungen, sowie Funktionsbeeinträchtigungen korrigierend zu behandeln. Des Weiteren finden wird in diesen Ländern, was bei uns vollkommen unbekannt ist, größere Kinder und Jugendliche mit unbehandelten Lippen-Kiefer-Gaumenspalten. Hierzulande erfolgt die Behandlung in den ersten Lebensmonaten, dort finden wird gelegentlich Teenager mit diesen Deformierungen. Auch dies gehört zum Leistungsspektrum, dass wir im Ausland anbieten. Zu guter Letzt sei die Nomaerkrankung aufgeführt, vielleicht die schwierigste und anspruchvollste Rekonstruktion im Gesichtsbereich. Wir arbeiten mit verschiedenen Organisationen zusammen, hier sind zu erwähnen, Interplast Germany, Sektion München und Nomahilfe e.V. in Regensburg.
Sie fahren regelmäßig zu solchen Einsätzen?
Dr. Radu: Wir arbeiten bereits seit 1994 mit Interplast Germany zusammen und seit 1999 mt der Nomahilfe. Unser Ziel ist es, jährlich einmal einen Auslandseinsatz zu organisieren. Dies bedeutet, dass ein Team aus 2-3 Chirurgen, Anästhesisten und OP-Schwestern gemeinsam in ein Einsatzgebiet fahren.
Wo sind Ihre nächsten Einsätze geplant?
Dr. Radu: Nach dem diesjährigen Einsatz im Niger planen wir für das kommende Jahr erneut einen Einsatz in Burma (Myanmar), gemeinsam mit einem Team aus München.
Ein Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit hierzulande ist jedoch die ästhetische Chirurgie. Wie verarbeiten Sie diese Gegensätze?
Dr. Radu: Wenn man alle Teilbereich der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie ausleuchtet, stellt man fest, dass dieses Fachgebiet eine ungemein große Spannweite bietet, sowohl was die Vielfalt der Operationen von Kopf bis Fuß angelangt, wie auch die unterschiedlichen Indikationen. Die rekonstruktiven Eingriffe verhelfen Menschen nach Unfall, Erkrankung oder Tumoren wieder zur Normalität zurück, die ästhetische Chirurgie versteht sich als wichtiges Gebiet unseres Faches und befasst sich mit der Optimierung des Erscheinungsbildes. Es ist sehr zu begrüßen, dass durch die Aufklärung in der Öffentlichkeit die ästhetische Chirurgie kein Schattendasein mehr führt und gesellschaftlich akzeptiert wird. Patienten müssen sich nicht mehr verstecken oder gar ins Ausland fahren um solche Eingriffe vornehmen zu lassen, sondern bekennen sich zu ihrer Entscheidung. Ob der Wunsch nach einer ästhetischen Korrektur vorliegt, entscheidet alleine der Patient. Unsere Aufgabe ist es, ihm vernünftig beratend zur Seite zu stehen, die richtige Indikation zu finden und dem Patient eine passende Therapie vorzuschlagen. Es ist wichtig, dass Patienten einen nachvollziehbaren Leidensdruck haben und eine realistische Erwartungshaltung. Auch ästhetische Eingriffe sind Operationen, welche in keiner Weise verharmlost werden dürfen, die Patienten begeben sich freiwillig auf den Operationstisch. Um so mehr muss hier ein Höchstmaß an fachlicher Qualifikation und Sicherheit geboten sein.
Herr Dr. Radu, Sie sind mit einem Operationsteam nach Afrika gefahren um dort Kindern zu helfen. Könnten Sie uns dies näher erläutern?
Dr. Radu: Auf Veranlassung der Nomahilfe e.V. sind 3 Fachärzte für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Mitglieder von Interplast Germany zusammen mit zwei Anästhesisten und einer OP-Schwester in den Niger gefahren. In diesem Land, wie auch in anderen Ländern der Sahelzone, wird eine entstellende Erkrankung angetroffen, die in unseren Breitengraden bereits seit über 100 Jahren nicht mehr existiert. Es handelt sich um NOMA, auch Wangenbrand genannt.
Um was für eine Erkrankung handelt es sich hierbei?
Dr. Radu: NOMA ist eine bakterielle Entzündung von Zahnfleisch, Mundschleimhaut oder Karies ausgehend, eine Erkrankung die jeder von uns schon einmal durchgemacht hat. Bei geschwächter Abwehrkraft, Mangelernährung und fehlenden Antibiotika, sowie zahnärztlicher Sanierung, kann diese Erkrankung vor allem bei Kleinkindern zu einer fulminanten Infektion führen.
Wie verläuft die Erkrankung dann weiter?
Dr. Radu: Leider versterben viele dieser Kinder, da sie nicht in der Lage sind, sich in dieser Zeit adäquat zu ernähren. Diejenigen, die überleben, haben meist entstellende Narben im Gesicht mit fehlenden Wangenweichteilen, Nase, Lippe, usw. Diese Kinder sind in vielen Familien sozial ausgegrenzt und somit chancenlos.
Wie kann man diesen Kindern helfen?
Dr. Radu: Früher wurden diese Kinder nach Deutschland gebracht und hier von hoch spezialisierten Teams operiert. Frau Winkler-Stumpf, Vorsitzende der Nomahilfe e.V. hat aus Spendengeldern vor einigen Jahren ein Krankenhaus in der Hauptstadt Nigers errichtet. Dort werden seit ca. 5 Jahren vor Ort Kinder operiert- unser Team war bereits vor 3 Jahren vor Ort.
Was sind das für Eingriffe?
Dr. Radu: Bei sehr einfachen Erkrankungsverläufen können Narbenstränge durchtrennt und so das Gesicht wieder korrigiert werden. Bei schwierigen Verläufen, bei denen ganze Wangenanteile, Nase oder Lippen fehlen, sind wesentlich komplexere Eingriffe erforderlich. Wir haben auch diesmal erneut mikrochirurgische Rekonstruktionen durchgeführt. Hierbei handelt es sich um Gewebsverplanzungen von weiter entfernten Stellen des Körpers, z.B. vom Unterarm, welche dann unter Einsatz von Lupenbrille und mikrochirurgischer Operationstechnik an Blutgefäße der Halsregion wieder angeschlossen werden. Es handelt sich hierbei um die aufwändigste Rekonstruktionsart, die jedoch de Kindern auch das beste Ergebnis bietet. Diese Eingriffe sind in Afrika auf keinen Fall selbstverständlich, hierzulande werden sie lediglich von hoch spezialisierten Teams an großen Kliniken angeboten. Um so mehr ist hervor zu heben, dass unter deutlich erschwerten Bedingungen vor Ort diese Eingriffe bei kleinen Kindern ab fünf Jahren vorgenommen werden.
Wie würden Sie zusammenfassend den Einsatz werten?
Dr. Radu: Wir können auf eine sehr erfolgreiche Arbeit zurück blicken. An 6 Operationstagen haben wir 34 Kinder operiert und am Tag unserer Abreise gab es keinerlei Komplikationen oder Problemfälle. Die Nachsorge wird von Pflegern und Ärzten vor Ort fortgeführt, bis das nächste Team Anfang Januar anreisen wird.